Gerät ein Unternehmen in finanzielle Nöte, beteiligen sich dessen Gläubiger häufig mit einem Forderungsverzicht an der Rettung. Die regulären steuerlichen Folgen dieser Hilfsmaßnahmen würden die Sanierungsbemühungen allerdings schnell zunichtemachen, denn durch den Schuldenerlass entsteht beim notleidenden Unternehmen ein Gewinn (Erhöhung des Betriebsvermögens), der grundsätzlich der Besteuerung unterliegt. Damit ein Steuerzugriff die Sanierung nicht belastet oder gleich komplett zunichtemacht, durften diese Gewinne nach dem sogenannten Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) in bestimmten Fällen aus sachlichen Billigkeitsgründen unbesteuert bleiben.
In einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung hatte der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) den Sanierungserlass im Jahr 2016 als unrechtmäßig eingestuft. Er verwies damals darauf, dass der Gesetzgeber die gesetzlich verankerte Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne bereits im Jahr 1997 abgeschafft hat und die Finanzverwaltung nicht dazu berechtigt war, diese Gewinne fortan aufgrund einer eigenen Entscheidung von der Besteuerung auszunehmen. Nach Gerichtsmeinung war in diesem "Alleingang" ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu sehen. Indem das BMF typisierende Regelungen für einen Steuererlass geschaffen hatte, hatte es nach Ansicht des BFH eine strukturelle Gesetzeskorrektur vorgenommen und damit das sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachrechtlich normierte Legalitätsprinzip verletzt.
Nach dem Richterspruch hatte das BMF die Finanzämter im April 2017 angewiesen, den Sanierungserlass gleichwohl noch in Altfällen anzuwenden. Als Altfall wurden Fälle definiert, in denen die Gläubiger bis einschließlich 08.02.2017 (Tag der Veröffentlichung der BFH-Grundsatzentscheidung) endgültig auf ihre Forderungen verzichtet hatten.
In einem neuen Urteil hat der BFH nun auch dieser Anwendung auf Altfälle eine klare Absage erteilt. Nach Meinung des Gerichts verstößt die Altfall-Anordnung des BMF in gleicher Weise gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wie der Sanierungserlass selbst.
Hinweis: Inzwischen wurden im Einkommen- und Gewerbesteuergesetz antragsgebundene Steuerbefreiungen für Sanierungsgewinne geschaffen, die jedoch nicht auf Altfälle anwendbar sind.